Reguliert, aber nicht gelähmt
Wer heute KI einsetzt, Websites betreibt oder Produkte verkauft, muss mehr liefern als Funktionalität: Transparenz, Barrierefreiheit und Daten-Governance werden zur Pflicht. Neue Gesetze wie der AI Act, das BFSG oder der Digitale Produktpass stellen den Mittelstand vor echte Herausforderungen und bieten die Chance, Digitalisierung bewusst und zukunftsfähig zu gestalten.
Was viele Mittelständler gerade spüren, hat einen Namen: Digitalisierungsdruck.
Nicht nur Kunden und Märkte verändern sich in rasantem Tempo. Auch der Gesetzgeber legt nach und zwar nicht zaghaft. Die jüngsten Regulierungen aus Brüssel und Berlin greifen tief in Geschäftsmodelle, Prozesse und Systeme ein: der EU AI Act, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG), der Digitale Produktpass (DPP) oder das Lieferkettengesetz (LkSG). Was davon ist für Kommunikation, Markenführung oder digitale Transformation im Mittelstand wirklich relevant?
Ein Blick auf die aktuellen Entwicklungen zeigt: Es geht nicht um das Ob, sondern nur noch um das Wie.
1. Der AI Act. KI regulieren, bevor sie eskaliert
Der EU AI Act ist im August 2024 in Kraft getreten. Für viele mittelständische Unternehmen wird es ab 2025/26 konkret. Wer KI-Systeme entwickelt oder einsetzt (und das betrifft auch Tools für Marketing, Kundenservice oder HR), muss Risiken bewerten, Systeme dokumentieren, Mitarbeitende schulen und menschliche Aufsicht gewährleisten.
Was sich technisch anhört, hat eine kommunikative und strategische Dimension:
• Werden Inhalte mit KI erstellt, muss das offen kommuniziert werden (Transparenzpflichten).
• Die Art, wie Daten erhoben und verarbeitet werden, beeinflusst nicht nur den Datenschutz, sondern auch Vertrauen.
• KI-Projekte brauchen Governance – nicht nur Tech.
Frage an Entscheider:innen: Wie sicher ist Ihr KI-Einsatz? Rechtlich, ethisch, reputationsseitig?
2. Digitale Barrierefreiheit: nicht nur für Behörden
Mit dem BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) wird ab Juni 2025 digitale Inklusion zur Pflicht für alle außer Kleinstunternehmen. Websites, Apps, E-Commerce … alles muss für Menschen mit Behinderung nutzbar sein.
Konkret heißt das:
• Inhalte müssen wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein
• Alt-Texte, anpassbare Schriftgrößen, klare Sprache, Untertitel. Das ist alles keine Kür mehr.
• Es braucht Feedback-Kanäle für Barriere-Meldungen
Für Marketing- und Digitalabteilungen heißt das: Accessibility ist kein „nice to have“ mehr, sondern Grundbedingung für digitale Präsenz. Wer jetzt handelt, erspart sich Stress und öffnet neue Zielgruppen.
Denkanstoß: Warum sollte ein digitaler Auftritt nicht für alle funktionieren?
3. Der Digitale Produktpass – Transparenz ist kein Selbstzweck
Ab 2026 kommt der Digitale Produktpass, zunächst für Branchen wie Textilien, Elektronik oder Möbel. Ziel: klare Infos zur Herkunft, Zusammensetzung, Reparierbarkeit und Nachhaltigkeit von Produkten über deren gesamten Lebenszyklus hinweg.
Das verändert nicht nur IT und Lieferkette, sondern auch Kommunikation:
• Produkte brauchen eine Story, die sich mit Daten belegen lässt
• Nachhaltigkeitsclaims werden überprüfbar
• Transparenz wird zum Wettbewerbsvorteil – oder Risiko
Frage an Markenverantwortliche: Wie erzählen Sie die Geschichte Ihrer Produkte glaubwürdig, datenbasiert und zukunftsfähig?
4. DSGVO, LkSG & Co: Die regulatorische Grundmelodie
Auch wenn AI Act und BFSG gerade viel Aufmerksamkeit bekommen: Die DSGVO entwickelt sich weiter. Cloud-Dienste, KI-Nutzung, Datenübertragungen in Drittländer. Alles wird sensibler. Gleiches gilt für das Lieferkettengesetz, das nicht nur Großunternehmen betrifft, sondern entlang der Kette auch den Mittelstand einbezieht.
Was das bedeutet:
• Reporting und Dokumentation sind keine einmalige Aufgabe
• Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt sein
•Compliance wird Teil der Markenwahrnehmung
Subtile Gefahr: Wer regulatorische Anforderungen ignoriert, riskiert nicht nur Bußgelder sondern auch Vertrauen.
5. Nicht lähmen lassen sondern systematisch angehen
Die vielen neuen Regeln überfordern viele Unternehmen, wenn Ressourcen knapp sind. Doch mit Panik kommt man nicht weiter. Was hilft, ist ein strukturiertes Vorgehen:
1. Gesetze priorisieren: Was betrifft unser Geschäftsmodell wirklich?
2. Verantwortung klären: Wer ist zuständig für was – rechtlich, strategisch, kommunikativ?
3. Digitalstrategie ausrichten: Technik und Prozesse müssen zur Compliance passen und nicht umgekehrt.
4. Lernkultur etablieren: Schulung ist kein Projekt, sondern eine Daueraufgabe.
5. Partner einbinden: Nicht alles muss allein gelöst werden. Netzwerke können helfen.
Fazit: Zwischen Pflicht und Potenzial
Digitalisierung ist kein Selbstläufer und Regulierung kein Bremsklotz. Richtig verstanden, schaffen Gesetze wie der AI Act oder das BFSG den Rahmen für einen bewussteren Umgang mit Technologie, Daten und Verantwortung. Für Unternehmen im Mittelstand heißt das: Jetzt ist die Zeit, digitale Souveränität aufzubauen und nicht erst, wenn die nächste Frist droht.
Wo stehen Sie aktuell: reaktiv, compliant oder schon zukunftsfähig?
Wir freuen uns über Austausch und Gespräche, die über Checkboxen hinausgehen.